Donnerstag, 20. Juni 2013

Totaler Unfug oder Zwei über Offenheit




Ich bin so frei und setze mich.

Bitte!

Sie gehören zu denen, die also über die Stränge schlagen wollen?

Wieso kommen Sie darauf?

Sie wollen alles rauslassen, sich vollkommen entblößen, und das in aller Öffentlichkeit.

Wenn es sein muss.

Was heißt, wenn es sein muss? Sie haben doch die Wahl.

Manchmal nicht. Ich habe keine Wahl, was die Offenheit angeht. Offenheit ist für mich der Schlüssel zur - lassen Sie mich nachdenken - vielleicht zum Glück.

Wie das? Sie haben keine Ahnung, zu was Offenheit im Internet alles führen kann, auf beiden Seiten, der des Aktiven, also Autors, wie der des Passiven, also Publikums.

Ich glaube schon, dass ich das weiß. Sie meinen die ganze Pornografie, der Kitzel, sein Innerstes, Intimstes auszubreiten, der Kick des Exhibitionisten.

In der Tat. Weite Teile des Internets funktionieren doch nur nach diesem Prinzip, sich ausziehen bis zur völligen Nacktheit und hoffen, dass damit irgendwie eine Anerkennung erfolgt.

Das stimmt zwar, aber ich glaube, dass das Problem nicht die Entblößung an sich ist, sondern vielmehr in den meisten Fällen die methodische Unfähigkeit zur Entblößung. Man könnte sogar so weit gehen und sagen, sich richtig zu entblößen will gelernt sein, und was wir in den meisten Fällen sehen, sind eher Verhüllungen als Offenbarungen, unbeabsichtigte wohlgemerkt, aus Mangel an Methode oder auch Form.

Aber bei Pornos wird doch heute schlichtweg alles gezeigt, wo sehen Sie da Verhüllungen?

Die seelische Seite wird völlig ausgeblendet. Wir erfahren nie wirklich, was in den Darstellern seelisch vor sich geht. Sicher hören wir sie ihre Lustschreie ausstoßen meinetwegen, aber dabei wird natürlich entweder etwas vorgetäuscht oder ihre Fähigkeit ausgestellt, die Beziehung vor allen Dingen vor und nach dem Akt zu dem jeweiligen Partner auszublenden, d.h. das Entscheidende, die Beziehung zu einem Menschen, wird nicht gezeigt. Insofern könnte man derlei Darstellungen geradezu unmenschlich nennen. Und warum wird das nicht thematisiert? Weil es natürlich viel schwieriger ist, gelernt werden muss, so etwas darzustellen. Die Kamera einfach auf zwei kopulierende Menschen zu richten ist, abgesehen von der Überwindung der Schamgrenzen, relativ einfach.

Aber ist es nicht auch eine Fähigkeit, insbesondere für die männlichen Darsteller, eine solche Dauergeilheit herzustellen und damit immerhin bei vielen Konsumenten eine Lust zu erzeugen?

Ich glaube nicht, dass bei irgendeinem Nutzer oder Konsumenten oder wie auch immer man dieses Publikum bezeichnen soll, auf diese Weise der Zugang zur eigenen Sexualität oder gar Liebesfähigkeit erleichtert wird. Im Gegenteil, die Sexualität erscheint als jene anarchische, triebhafte Kraft, die wir mit allen Tieren teilen und insofern im Grunde schlecht. Man bekennt sich eben dann zum Schweinsein und fickt, einmal die Grenze zum Animalischen überschritten, unbekümmert drauflos. Es ist die Lust der Befreiung von allem menschlichen Streben.

Aber ist  nicht das gerade ein wesentlicher Teil bei aller sexuellen Lust, dass es kein Streben, keine Anspannung, kein Leistungsdruck mehr gibt, ja, dass man sich auch mal ins Animalische fallen lassen kann, sich verbunden fühlen kann mit dem triebhaften Teil der Schöpfung?

Natürlich. Aber eben eingebunden in eine menschliche Beziehung. Ohne eine solche ist das sexuelle Erlebnis eine einsame punktuelle Angelegenheit in einem Meer von asexuellen bzw. unerotischen Erscheinungen. Und selbst beim Akteur bleibt das sexuelle Erlebnis auf die unmittelbaren Sexualorgane beschränkt, das Herz beispielsweise oder das Gehirn bleiben von der Lust unberührt. Dort aber wird sexuelle Lust erst zur wirklichen Liebe gesteigert bzw. vervollkommnet.

Sie glauben also, man müsse die Offenheit der Darstellung von den rein sexuellen, also auf die Sexualorgane konzentrierten Betrachtungen, auf alle anderen Organe und seelischen und geistigen Vorgänge ausdehnen?

Im Grunde ja. Nur wird sich dann u.U. herausstellen, dass die Darstellung eines Liebesaktes in allen sexuellen Einzelheiten gar nicht angebracht ist, weil das Wesentliche entweder schon gesagt oder anders gesagt ist, wie man dies in guten Filmen ja sehen kann, wo man es ja nicht als Mangel erfährt, dass man dem Paar nicht beim Eindringen des Penis in die Vagina zuschaut. 

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